Braucht man als junger, gesunder Mensch wirklich eine Beratung zur Reiseapotheke? Und bekomme ich im Zweifelsfall nicht doch alle Medikamente im Ausland? Vor jeder neuen Reise stellt sich die Frage, was man eigentlich mitnehmen sollte und ob man nicht doch etwas wichtiges vergessen hat... Um endlich Klarheit ins Mysterium "Reiseapotheke" zu bekommen, habe ich mit einem Apotheker (aka. meinem Vater) gesprochen, mir von ihm die vollständige und offizielle Reiseapotheke-Checkliste des Centrums für Reisemedizin geben lassen und mir einmal genauer angehört, warum die Reiseapotheke wirklich so wichtig ist (von den offensichtlichen Gründen einmal abgesehen).

Keine Sorge aber: Dieser Beitrag ist nicht dazu da, Dir Angst zu machen oder Dir Geschichten über Verdauungsprobleme aufzutischen. Im Gegenteil: Hier geht es nur darum zu klären, was man braucht, um sich in den am häufigsten auftretenden Krankheitsfällen sicher selbst versorgen und die Reise weiter genießen zu können!

Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel ersetzt kein Beratungsgespräch bei deinem Arzt oder Apotheker. Die hier veröffentlichte Reiseapotheke erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und muss grundsätzlich neu betrachtet werden, wenn Schwangere und Kinder reisen.

Warum die Reiseapotheke wirklich wichtig ist

Interview mit Fachapotheker Helge Lehnert, Sonnenberg Apotheke Chemnitz

Zugegeben, ich selbst und auch die meisten meiner Bekannten haben sich bisher noch nie zu ihrer Reiseapotheke beraten lassen. Warum sollte ich trotzdem unbedingt vor der nächsten Reise eine Beratung in Anspruch nehmen?

Eine Beratung macht aus vielen Gründen wirklich Sinn: Zum einen sind Apotheker*innen und das Apothekenpersonal eben die Fachleute für Arzneimittelwirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen. Im persönlichen Gespräch mit dem Fachpersonal kann man also viele Dinge vorab klären, um eine gefährliche Situation gar nicht erst aufkommen zu lassen. Zum anderen ist es so, dass es gar keine ideale Reiseapotheke gibt, nur eine individuelle. Weil Reiseziel, Reisedauer, Reisezeit, Reisestil und natürlich individuelle Gegebenheiten immer wesentlich dafür ausschlaggebend sind, was man eben benötigt. Hier kann das reisemedizinisch geschulte Apothekenpersonal dann ganz genau beraten.

Außerdem geht es nicht nur um die Wirkung von Medikamenten, sondern auch um Spezialwissen zu einzelnen Ländern. Beispielsweise ist in manchen Länder die Einfuhr verschreibungspflichtiger Medikamente untersagt und man benötigt dann unter Umständen ein Zertifikat des Arztes. Eine reisemedizinisch geschulte ApothekerInnen wissen aber, für welche Länder und Medikamente ein solches Zertifikat gebraucht wird. Spätestens, wenn es dann aber um Reiseimpfungen und Malaria geht, ist eine Beratung unersetzlich.

Reiseapotheke
Helge Lehnert, Fachapotheker & Inhaber der Sonnenberg-Apotheke Chemnitz

Ich lese auch immer wieder Blogbeiträge von sehr reiseerfahrenen BloggerInnen, die sogar ganz von einer Reiseapotheke abraten - mit dem Argument, dass man doch überall auf der Welt Medikamente kaufen könne...

Hier, innerhalb der EU, werden durch die Europäische Arzneimittelkommission EU-weite Standards hinsichtlich der Produktion und des Vertriebs von Arzneimitteln garantiert. Der Vertriebsweg vom Hersteller über den Großhändler bis zur Apotheke gesichert. Es werden nur zugelassene Arzneimittel gehandelt und es gelten für die Hersteller strenge Qualitätsanforderungen. Damit ist gewährleistet, dass die Medikamente immer entsprechend ihres Profils wirken und somit auch Nebenwirkungen und Wechselwirkungen bekannt sind. Ob und wie das in anderen Ländern ist, wissen wir nicht. Dort kann es ebenso seriös zugehen - es kann aber auch anders sein. Wenn nicht die gleichen Standards gelten, können Arzneimittel verunreinigt oder gefälscht sein und ganz anders wirken.

Hinzu kommt die Sprachbarriere. Für viele Wirkstoffe gibt es Synonyme, einige sind uns hier völlig unbekannt. Das heißt auch, dass wir nichts zu Unverträglichkeiten und Wechselwirkungen wissen. Ein fremder oder unbekannter Wirkstoff bringt also im Zweifelsfall ein unkalkulierbares Risiko mit sich. Im geringsten Fall wird einem ein bisschen schlecht, im schlimmeren Fall treten Allergien auf oder es kommt zu unkontrollierten Wechselwirkungen mit Dauermedikamenten. Sicher ist es möglich, aus der Ferne den Arzt oder Apotheker zu konsultieren. Allerdings braucht es dann eine internationale Datenbank der Arzneien, um die Wirkstoffe abzugleichen. Manche sind auch gar nicht auffindbar.

Und mal ganz davon abgesehen: Wenn man sich einen Splitter in den Fuß einzieht und der entzündet sich, weil du keine Pinzette dabei hast, um ihn rauszuziehen, dann läufst du nicht mehr. Die folgen sind im Zweifelsfall also einfach zu verheerend, um sich damit eine schöne Reise zu ruinieren.

Und was sollte nun alles in der Reiseapotheke enthalten sein?

Bei der Reiseapotheke geht es immer darum, sich im Notfall selbst helfen zu können. Medikamente zur äußerlichen & innerlichen Anwendung, Verbandmaterial und Hilfsmittel sind dabei relativ unabhängig vom Reiseland und immer die gleichen.

Deshalb gibt es eine standardisierte Reiseapotheke, die nach Indikationen unterteilt ist und zusätzlich aber immer an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden muss. Die Indikationen sind also immer dieselben. Aber nicht jeder nimmt für jede Indikation das gleiche Medikament. [A.d.R. Um es verständlicher zu machen: Wir alle können Fieber bekommen, nehmen dann aber nicht alle dasselbe fiebersenkende Medikament.]

Unterschieden wird in sechs verschiedene Indikationen. Welches Präparat man am Ende wählt, ist von eigenen Befindlichkeiten, Unverträglichkeiten und Dauermedikamenten abhängig - eine individuelle Standard-Reiseapotheke sozusagen. Wir orientieren uns bei unseren Empfehlungen an dem jeweils aktuellen Handbuch des Centrums für Reisemedizin.

Die Reiseapotheke: Offizielle Checkliste aus dem Handbuch des Centrums für Reisemedizin

1. Verbandmaterial (Notfallversorgung von Verletzungen)

  • Mullbinden
  • 1 Päckchen steriler Verbandmull
  • Wundpflaster
  • Heftpflaster
  • Elastische Binde
  • Händedesinfektion [alkoholische Produkte]
  • Splitterpinzette
  • kleine Schere
  • Handschuhe

2. Arzneimittel zur äusseren Anwendung

  • antiseptische Wundsalbe [Povidon-Iod, Octenidin]
  • Corticoid Creme gegen Insektenstichreaktionen [Hydrocortison]
  • Augentropfen gegen Bindehautentzündung [Azelastin bei allergischer Bindehautentzündung; Künstliche Tränen bei BHE durch trockenes Auge; antibiotische Augentropfen (verschreibungspflichtig) bei bakterieller Bindehautentzündung]
  • Ohrentropfen gegen Gehörgangsentzündungen [Phenazon, Procain]

3. Arzneimittel zur inneren Anwendung

  • einfaches Mittel gegen Schmerzen, Fieber und Entzündungen [Paracetamol, ggf. Ibuprofen, aber nicht bei Verletzungen]
  • krampflösendes Mittel [Butylscopolaminbromid]
  • leichtes Schlaf- oder Beruhigungsmittel [Diphenhydramin oder eine Kombination aus pflanzlichen Wirkstoffen wie Melisse, Hopfen, Baldrian]
  • Durchfallmittel [Ethacridinlactat, Tanninalbuminat, Racecadotril, Saccharomyces boulardii]
  • Elektrolytlösungen
  • Antibiotikum*

*Antibiotika ist verschreibungspflichtig und kann nicht ohne Rezept erworben werden. Dafür ist es empfehlenswert, einen reisemedizinisch geschulten Arzt (Gesundheitsämter können Auskunft darüber geben, welche Ärzte reisemedizinisch geschult sind) zu konsultieren. Problematisch ist, dass der Laie eben nicht erkennt, wann es wirklich Zeit ist, das Antibiotikum zu nehmen. Allerdings können durch die Mitnahme von Antibiotika die Risiken vermieden werden, die sich durch die Einnahme von fremden Wirkstoffen ergeben. In jedem Fall entscheidet der Arzt.

4. Dauermedikation (individuell)

5. Sonstiges

  • Sonnenschutz mit ausreichendem Lichtschutzfaktor (mindestens 30) und in ausreichender Menge
  • Insektenschutzmittel [DEET, Icaridin]
  • Ersatzbrille
  • Flächendesinfektionsmittel [alkoholische Sprüh-u. Wischdesinfektion]
  • Zeckenzange
  • Fieberthermometer

6. Zusatzausstattung (je nach Reisestil)

  • 1-2 Einmalspritzen (2ml, 5ml oder 10ml)
  • 1-2 Einmalkanülen (Größe 1, 2 und 16)
  • Steristrips zur Wundrandadaption

Kann mir eine Apotheke auch bei Fragen zu Reiseimpfungen helfen oder muss ich dazu zu einer anderen Stelle?

Eine reisemedizinisch geschulte Apotheke kann auch zu Reiseimpfungen beraten. Alternativ kann man natürlich auch den Arzt oder das Gesundheitsamt konsultieren. Auch hier kann ein persönliches Gespräch sehr von Vorteil sein: Neben den Impfungen für das Land selbst spielen auch die dort möglichen Impfvorschriften eine Rolle - zum Beispiel bei der Einreise aus Drittländern. Ein Tag Aufenthalt in einem bestimmten Land kann schon bedeuten, dass man für die Einreise in einem anderen Land beispielsweise gegen Gelbfieber geimpft sein muss. Darüber hinaus müssen eventuell auch Impfabstände, Lieferbarkeit und die notwendige Zeit für den Aufbau einer Immunität beachtet werden.

Jetzt ist immer wieder der Ausdruck "reisemedizinisch geschultes Personal" gefallen. Was steckt dahinter?

Eine reisemedizinisch geschulte Apotheke hat mindestens einen Mitarbeiter, der jährlich die Schulung zur Reisemedizin besucht. Das ist deshalb so wichtig, weil es jedes Jahr Änderungen gibt. Wenn wir nicht geschult wären und ich jemanden mit unseriösen Quellen zur Reisemedizin beraten würde, könnte ich nachts nicht schlafen.

/// Helge Lehnert ist Fachapotheker und Inhaber der Sonnenberg-Apotheke in Chemnitz. Lieben Dank noch einmal an dieser Stelle fürs Interview.


5 besonders clevere Medikamente, die ich immer in meiner Reiseapotheke habe

Nachdem wir eben gelernt haben, dass jede Reiseapotheke ganz individuell ist, auch wenn die Indikationen die gleichen bleiben, macht es überhaupt keinen Sinn, wenn ich euch meine persönliche Reiseapotheke aufliste. Ich hatte beispielsweise noch nie Probleme mit meinen Ohren oder Augen und werde deshalb auch weiterhin keine Ohren- oder Augentropfen einpacken. Das kann bei Dir schon wieder ganz anders sein. Allerdings kann ich dir ein paar sehr clevere Helferlein verraten, die mir und meinen FreundInnen schon manchmal den Arsch gerettet haben:

  • Superpep
    nehmen wirklich in Sekundenschnelle die Reiseübelkeit und machen mich nicht ganz so müde, wie andere Reisetabletten. Da ich sehr empfindlich auf Wellengang reagiere, retten mir die Kaugummis jede Bootsfahrt und haben mich kotzfrei durch manches Durchstartemanöver in den Tropen gebracht.
  • Hefe
    mein Geheimtipp für alle Reisen außerhalb der “westlichen Welt”. Die Kapseln nehme ich schon 1-2 Wochen vor der Reise und hatte immer, wenn ich sie genommen habe, deutlich weniger Probleme unterwegs mit Durchfall. Vorausgesetzt natürlich, ich befolge die Grundregel “Peel it, boil it, cook it or forget it!”
  • Elektrolylösungen
    sind in kleinen, leichten Tütchen verpackt und echte Lebensretter. Immer dann, wenn Mitreisende oder ich selbst doch Durchfall hatten oder sich übergeben mussten, bringt einen eine solche Lösung in wenigen Minuten wieder auf die Beine. Natürlich bekämpft die Lösung nicht die Ursache, aber sie stellt den Mineralhaushalt nach dem Wasserverlust wieder her und man fühlt sich ganz schnell wieder fit.
  • Steri-Stripes
    habe ich inzwischen sogar schon in der Handtasche. Wenn ich zählen würde, wie oft sich mein Exfreund in die Hände geschnitten hat, würde ich nicht hinterherkommen. Mit den Stripes konnte ich ihm schon oft Wunden sauber schließen, die eigentlich wenigstens ein oder zwei Nadelstiche gebraucht hätten. Natürlich nur mit vorheriger Wunddesinfektion.
  • Nobite
    Es gibt wohl kein besseres Mückenspray als dieses. Ich habe damit bereits Kuba, Costa Rica, Malaysia und Indonesien ohne auch nur einen einzelnen Mückenstich bereist. Wirklich!

Mit fertig gepackter Reiseapotheke auf ins nächste Abenteuer! Wie wäre es mit...

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