Wilde Küsten, Urwald und schneebedeckte Berge – das ist der Olympic National Park. Und Regen, viel Regen. Die Wälder wirken fast mystisch und verzaubert, so tief wie die Nebelschwaden zwischen den Bäumen hängen und wenn die feinen Regentropfen leise auf das dichte Blätterdach fallen.
Lass mich Dich mitnehmen auf eine langsame Reise durch die wilde Natur des Olympic National Parks.

Tag 1: Von Seattle in den Olympic National Park

Tag 2: Unterwegs in den Olympic Mountains

Tag 3: Am Pazifik

Tag 4: Magische Regenwälder



Tag 1: Von Seattle in den Olympic National Park

Whale Watching vor Anacortes

Als ich zeitig am Morgen nach Anacortes aufbreche ist es noch kalt und neblig in Seattle. Die Wolken hängen in den Hochhäusern und der Nebel taucht den Hafen in eine gespenstische Szenerie. Knapp eineinhalb Stunden brauche ich mit dem Auto bis zu meinem Ziel im Norden.

In Anacortes starten zur Saison von Februar bis November starten hier täglich die kleinen Schiffe der Whale Watching Companies in die Juan Fuca Straße zwischen Washington und Vancouver Island, um dort Wale zu beobachten. Während dieser Zeit sind Walsichtungen, nahezu garantiert. Auch ich habe riesiges Glück und sehe neben einer Horde Seelöwen auch mehrere Schwertwal-Gruppen. Einige größere Männchen kommen sogar sehr nah an das kleine Boot heran und auch ein Muttertier mit ihrem Kalb taucht immer wieder vor der malerischen Kulisse der Inseln auf.

Obwohl ich mich riesig auf dieses unglaubliche Erlebnis gefreut habe, war ich anfänglich etwas skeptisch, ob die Veranstalter auch verantwortungsbewusst genug wären, um keine “Waljagd” für die Touristen zu veranstalten. Glücklicherweise bestätigte sich dann doch das positive Bauchgefühl, das ich beim Check meiner gewählten Whale Watching Company “Island Adeventures”. Der Kapitän hielt immer ausreichend Abstand, um die Tiere nicht zu bedrängen und ließ auch mehrfach von Gruppen ab, wenn andere Schiffe hinzukamen, um ebenfalls hinter den Tieren herzufahren.

Fototipp: Obwohl die Tiere in manchen Situationen recht nah waren, lohnt sich trotzdem ein Teleobjektiv von mindestens 300mm Brennweite. Bei Grover kannst Du Dir entsprechende Technik leihen und sparst Dir so die teuren Anschaffungskosten. Als ich in den USA unterwegs war gab es die Plattform leider noch nicht. Alle Bilder die Du hier siehst, sind mit 100mm Brennweite gemacht und nachträglich zugeschnitten.

Port Angeles

Port Angeles, die größte Stadt der Olympischen Halbinsel und Tor zum Nationalpark, liegt nur zweieinhalb bis drei Stunden Autofahrt von Seattle entfernt, abhängig davon, ob man die Fähre nach Bainbridge Island oder den Landweg über Tacoma im Süden nimmt. Auch von Anacortes aus braucht man – inklusive der kurzen Fährfahrt von Coupeville nach Port Townsend – nur etwa zweieinhalb Stunden, um die Stadt mit dem Auto zu erreichen. 

Um ganz ehrlich zu sein, hat mich die Stadt aber eher wenig begeistert und wurde an diesem grauen, regnerischen Nachmittag leider kaum dem fancy Bild gerecht, das die Website auf den ersten Blick vermittelt. Statt eines niedlichen Fischerhafens lagen nur zwei alte, verrostete Kähne am verlassenen Pier, das Besucherzentrum war geschlossen, nur das kleine Meeresmuseum hatte geöffnet. Dort habe ich aber zumindest von der lieben Kassierin die aktuellen Tide-Tables, eine Karte vom National Park und viele wertvolle Tipps zu den Campgrounds bekommen.

Trotzdem: Solltest Du nach Port Angeles kommen, solltest Du der Stadt dennoch eine Chance geben, denn vielleicht hatte ich einfach nur ein bisschen Pech, da ich in der Nebensaison unterwegs war und die Läden und Galerien dann eher schließen. Besonders die Harbor Art Gallery oder das Port Angeles Fine Arts Center hätte ich gern gesehen.

Tag 2: Unterwegs in den Olympic Mountains

Schneebedeckte Gipfel an der Hurricane Ridge

Den zweiten Tag meines Pacific Northwest – Abenteuers begann ich nach einer Nacht auf dem Campingplatz Heart O’ The Hills in den Olympic Mountains, dem Zentrum der Olympic Peninsula. Knapp 14 Meilen fuhr ich auf der steilen, kurvigen Straße zum Hurricane Ridge Visitor Center. Normalerweise hat man von hier bei besserem Wetter einen grandiosen Ausblick über schneebedeckte Zweitausender, die Juan Fuca Straße und bis hinüber nach Vancouver Island.

So sieht es an der Hurricane Ridge bei gutem Wetter aus. (C) Nathaniel Foong | unsplash

Ich stand jedoch auch nach einer Stunde geduldigen Wartens immer noch in einer dicken Brühe aus Nebel und Regen und fand gerade so den Weg entlang der kleinen Trails, die vom Visitor Center zu verschiedenen Aussichtspunkten führen. Nirgendwo wollte aber die Wolkendecke aufreißen, sodass ich etwas traurig und enttäuscht aufgab.

Am Fuße der Olympic Mountains: Lake Crescent, Marymere Falls & Sol Duc River

Der weitere Tag führte mich deshalb auf gleichem zurück ins Tal und weiter in Richtung Westen zum Lake Crescent. Dieser riesige See ist mit 20 Kilometern Länge fünf mal länger als mein täglicher Arbeitsweg zu diesem Zeitpunkt. Sicher wusste ich auch schon vor meiner Reise, dass hier in Nordamerika andere Maßstäbe gelten würden, doch erst hier an diesem schier endlos erscheinenden See und in den Wäldern rund um die Marymere Falls wurde mir richtig bewusst, wie viel größer und mächtiger die Natur hier ist.

Ich ließ mein Auto unweit der Lake Crescent Lodge an der Südseite des Sees stehen und machte mich von dort auf, um auf dem kurzen Trail zu den Marymere Falls zu laufen. Obwohl der Weg aber wirklich nicht lang war, braucht ich gefühlt eine Ewigkeit, denn der Wanderweg zu den Wasserfällen glich einem gigantischen Gewölbe aus riesigen, moosüberwucherten Bäumen, sodass ich überall stehen blieb, um die mir so neuen Dimensionen zu begreifen. Wie ein Dach schlossen sich die Baumwipfel über meinem Kopf und tauchten die Luft in grünes Licht.

Nach dem Spaziergang zu den Marymere Falls setze ich meine Tour fort. Ich will entlang des Sol Duc Rivers zu den Sol Duc Hot Springs fahren, um mich aufzuwärmen. Immer wieder halte ich an den Flussbiegungen an, mache Fotos und genießen für ein paar Minuten die frische Luft. Gerade, als ich mich auf die Felsen des Flussufers gesetzt habe, sprang direkt vor meiner Nase ein Lachs aus dem Wasser. Anscheinend hatte ich zufällig eine echte Salmon Cascade gefunden. Wie ich später las, ist der Sol Duc River bekannt dafür, dass hier im Herbst die Lachse in ihre Laichgebiete wandern. Und tatsächlich sprangen unzählige Fische mit beeindruckender Ausdauer flussaufwärts von Stein zu Stein, sodass ich genügend Versuche hatte, um sie im richtigen Moment zu fotografieren. 

Nachdem ich eine halbe Ewigkeit an den Salmon Cascades zugebracht hatte, fuhr ich – nun wirklich durchfroren – in die Sol Duc Hot Springs, um mich aufzuwärmen, bevor ich auch die kommende Nacht wieder bei Kälte und Regen im Auto verbringen würde. Der Himmel zog sich gerade zu, als ich die Küste nördlich des Lake Crescent erreichte und dichter Regen fiel über dem Wald. Deshalb verbrachte ich auch die letzten Stunden vor dem Schlafen mit heißem Tee im Auto und beobachtete noch lang durch den offenen Kofferraum, wie der Regen den Wald in ein dunkles, glänzendes grün färbte. Und als wäre dieser Tag noch nicht aufregend genug gewesen kamen gerade, als ich mich beschweren wollte, dass ich doch viel lieber an einem Lagerfeuer sitzen würde, ein Reh mit seinen beiden Rehkitzen durch das Dickicht, um mir gute Nacht zu sagen.

Tag 3: Der Pazifik

Cape Flattery

Im Auto war es über Nacht doch etwas feucht und ungemütlich geworden, sodass ich schon sehr zeitig wach wurde. Deshalb beschloss ich schon jetzt, als alle anderen noch in ihren gemütlichen Wohnmobilen schliefen, ans Cape Flattery aufzubrechen und dort zu frühstücken.

Mein Plan ging auf: Wenige Meilen vor Cape Flattery hatte ich klaren Blick auf die Küste, auch wenn in den Anhöhen noch immer dichte Nebelschwaden hingen.Ich ließ mir also noch ein bisschen Zeit, hielt an Fischräuchereien am Weg und genoss den Ausblick vom Highway 112, der Juan Fuca Scenic Route. Pünktlich zu meiner Ankunft brach auch wie erhofft die Sonne durch die Wolken, sodass ich mich in bester Laune und großer Vorfreude auf den Waldpfad zum Kap begab. Mit jedem Schritt wurden Schreie der Möwen und das Rauschen der Wellen lauter und nach wenigen Kilometern trat ich durch das Tor aus Bäumen an den Rand der Klippen. Bis zum frühen Nachmittag blieb ich hier und hielt Ausschau nach Tieren und genoss die hier so selten gesehene Sonne.

Mit etwas Glück, Geduld und einem guten Fernglas lassen sich hier, wo die Juan de Fuca Straße in den Pazifik mündet, Seelöwen und und sogar Seeotter beobachten, obwohl diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor der Küste Washingtons ausgestorben waren. Zu Beginn der 70er Jahre initiierte man jedoch Auswilderungsprogramme, sodass die Anzahl der Seeotter heute wieder auf etwa 800 Tiere geschätzt wird. Von März bis Mai ziehen außerdem Grauwale auf ihrem Weg Richtung Süden an der Küste vorbei und auch Vogel-Liebhaber dürften am Cape Flattery voll und ganz auf ihre Kosten kommen. Neben Adlern und Seetauchern leben hier nämlich auch der vom Aussterben bedrohte Marmelalk, Nashornpelikane und drei verschiedene Kormoranarten.

Forks & die Strände von La Push

Den Nachmittag verbrachte ich an den Stränden rund um die La Push Area. Nach einem kurzen Abstecher in Forks spazierte ich dort ein wenig am Wasser entlang, lag in der Sonne und war sogar mutig genug, um zumindest die Füße ins eiskalte Wasser des Pazifiks zu tauchen. Und das beste daran: Nirgendwo gab es Wifi, niemand rief an, es gab keine Check-In-Time am Campingplatz und ich hatte nichts zu tun und keine Pläne, außer einfach da zu sein.

Bekannt wurden Forks und die La Push Area übrigens durch die Autorin Stephanie Meyer, die diese Region zur Kulisse ihrer Biss-Romane und späteren Twilight-Filme machte. Obwohl ich selbst nur das erste Buch gelesen habe (ich gebe zu, es war mir ein bisschen zu kitschig), war es trotzdem sehr spannend den Ort zu sehen, an dem die so viel gehypte Vampirromanze ihren Anfang nahm. In der Hochsaison ist dadurch ein richtiger Fan-Tourismus entstanden, sodass Du deine Unterkunft hier definitiv vorher reservieren solltest.

Am Abend fand ich am Mora Campground einen wundervollen Platz für mein Auto und konnten dann auch endlich das Lagerfeuer machen, auf das ich mich die ganze Zeit schon so gefreut hatte.

Tag 4: Zwischen Meer und Regenwald

Tide Pooling am Rialto Beach

Fast gespenstisch liegt das weiß schimmernde Treibholz wie riesige Knochen vor dem dunklen Wald am Rialto Beach. Es ist zeitig am Morgen und noch immer hängen Nebelschwaden in der Ferne über dem Ufer. Die Welle kommen noch immer zu nah, also warte ich auf einem besonders hohen Baumstumpf, dass sich das Wasser noch weiter zurückzieht. Kurz vor acht scheint die Ebbe ihren Höhepunkt erreicht zu haben und ich schließe mich ein paar anderen Wanderern zu den Tide Pools an. Eine halbe Stunde laufen wir, bis wir die spitzen Felsen erreichen, die zuvor nur wie kleine Zähne aus dem Wasser zu ragen schienen.

Um die Felsen herum, zwischen den Steinen, haben sich sogenannte Tide-Pools gebildet. Während der Ebbe bleiben am Ufer diese kleinen Wasserbecken zurück, in denen man wunderbar Meerespflanzen und Tiere beobachten kann, die sonst im dunklen Wasser verborgen bleiben. Ich verbringe die Zeit mit der Suche nach Krabben und Seesternen und fast hätte ich den Moment verpasst, als die Flut die Steine überspült. Auf dem Rückweg muss ich mich sehr beeilen, um rechtzeitig wieder den breiten Strand zu erreichen.

Die magischen Hallen des Hoh Rainforest

Nachdem ich nach meiner überstürzten Flucht vor der Flut das Auto wieder sicher erreicht hatte, ließ ich die Küste hinter mir und fuhr erneut ins Landesinnere, um hier die magischen Regenwälder zu erkunden, für die der Nationalpark so bekannt ist.

Bereits zu Beginn der Hoh River Road wechselt das Licht der feuchten Luft in ein warmes, leuchtendes grün, erzeugt von den dicht bemoosten Bäumen, die über die Straße greifen, als wollten sie jeden Eindringling mit ihren knorrigen Ästen in ihre verwunschenen Tiefen ziehen. Bis zu 430 cm Regen fällt in diesem Bereich der Olympic Peninsula jedes Jahr und erschafft so das üppige, grüne Blätterdach, unter dem die Klamotten binnen weniger Minuten nass und schwer am Körper kleben.

Inzwischen hatte ich mich zwar an die riesigen Pflanzen gewöhnt, doch waren die Douglasien im Hoh Rainforest noch viel größer als alle Bäume, die ich zuvor gesehen hatte. Überall hingen Moose von den Ästen herab, manchmal sogar meterlang und einige Bäume waren so dicht von Flechten bedeckt, dass es schien, als hätten sie gar keine Rinde mehr.

 Als ich nach den kleinen Wanderungen durch die Hall of Mosses und auf dem Spruce Nature Trail entlang des Hoh Rivers am Auto ankam, waren meine Sachen so nass, als wären ich geradewegs in einen Pool gesprungen. Außerhalb des schützenden Blätterdachs wurde es auch ziemlich schnell kalt, sodass meine Sehnsucht nach einem warmen, trockenen Ort so groß, dass ich spontan entschied zur Lake Quinault Lodge zu fahren. Eine Wanderin hatte mir zuvor diesen Ort empfohlen, da auch die umliegenden Campingplätze von der Lodge betrieben werden und Campinggäste deshalb die Hotelduschen und das Schwimmbad nutzen dürfen. Nach drei Tagen Wildnis ohne Dusche war das ein unschlagbares Argument…


Du planst einen Roadtrip durch den wilden Pacific Northwest? Hier findest Du mehr Beiträge zu meiner Reise durch Washington & Oregon:

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  1. Ein toller Artikel mit total stimmungsvollen Fotos. Ich war 2008 im Herbst in der Gegend, leider ist da der Olympic NP total im Nebel verschwunden, so daß er noch immer auf meiner Liste steht…seufz!

      1. Liebe Magda, dein Reisebericht ist eine großartige Inspiration und Hilfe in meinen Reiseplanungen. Mit Bildern die die Seele berühren.
        Bist du allein gereist auf der Olympic Halbinsel?
        Liebe Grüße aus Wien
        Anna

        1. Liebe Anna, freut mich ganz sehr zu lesen, dass Dir der Beitrag hilft und Dir die Bilder so gut gefallen 🙂 Ich war mit meinem damaligen Freund unterwegs. Allerdings ist das eine Reise, die ich mir auch auf jeden Fall allein zutrauen würde. Liebe Grüße zurück nach Wien, Magda

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