Die rauen Holzdielen knarren unter meinen Füßen, als ich den Steg entlanglaufe. Meine Haare fliegen im Wind hin- und her, überall riecht es trügerisch nach Sommer am Meer. Die Wellen schwappen gegen den Steg und die ersten eiskalten Tropfen auf meiner Haut zerstören die Illusion von Wärme. Ich reiche meiner Freundin das Handtuch – jetzt gibt es kein Zurück mehr. Nicht nachdenken, nur ganz schnell die Treppen runter… Und ehe ich noch “Das ist zu kalt!” rufen kann, bin ich schon eingetaucht in das 2°C kalte Wasser des Öresunds. Im Februar. 

Wie konnte das passieren? Alles begann ganz harmlos mit unserem Roadtrip durch den Süden von Schweden. Wir hatten Malmö als Ausgangsstation gewählt und versuchten jeden Tag so viel schwedisches Leben in uns aufzusaugen, wie wir in den dunklen Gassen des grauen Winters nur finden konnten.

Als wir das Kallbadhus erreichten, war es nicht dunkel. Der Himmel war strahlend blau und die Sonne blendete uns, als wir den langen Steg übers Meer liefen. Schaumkronen tanzten auf dem klaren, blau-grünen Wasser, das den Blick auf den sandigen Meeresboden freigab. Darüber der mintgrüne Holzbau – wie ein Relikt aus einer anderen, besseren Zeit thront das Kaltbad über den sanften Wogen des Öresunds.

Die freundliche Kassierin erkundigt sich, ob wir Handtücher dabeihaben, drückt uns ein Schloss in die Hand und zeigt uns den Weg zur Frauenumkleide.

Die Umkleiden scheinen nie neues Inventar bekommen zu haben, fast schon dekorativ hängen die winzigen, grünen Metallspinte an der weißen Holzvertäfelung. Die abblätternde Farbe macht den vermeintlichen Vintagelook perfekt – ein nicht nachahmbares Original.
Wir fragen eine ältere Frau, ob sie uns die Saunen zeigen könne. Sie unterbricht ihr Pfeifen und zeigt uns beide Frauensaunen und die gemischte Sauna. Ich fühle mich bei dem Gedanken die Sauna nicht mit Männern teilen zu müssen gleich wohler.
Wir folgen der Anweisung der Kassierin: Erst duschen, dann schwitzen, dann abkühlen im Öresund.

Die Saunen haben 70°C und 90°C. In beiden schauen wir durch bodentiefe Panoramafenster auf die dunkelblauen Wogen des Öresunds. Wir beobachten, wie die Fähren nach Finnland an- und ablegen, wie Schwäne auf den sanften Wellen schaukeln und sich gelegentlich eine Möwe dazugesellt. Wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt und die Strahlen uns nicht mehr blenden, erkennen wir sogar die dänische Küste.

Diese beiden Fotos sind im Pålsjöbaden, dem Kaltbadehaus in Helsingborg entstanden. Fast genauso wunderbar wie das Ribersborgs Kallbadhus.

Nur die gewohnte Ruhe fehlt: In der Sauna geht es hoch her, wie beim Kaffeklatsch – nur eben ohne Kaffee. Sauna bedeutet in Schweden ein gesellschaftliches Großereignis. Es wird laut gequasselt, getuschelt und gelacht und irgendwie finden wir das viel sympathischer, als das betretene Schweigen gepaart mit gelegentlicher Scham in deutschen Saunen. Wir kommen schnell mit einer Schwedin ins Gespräch, die uns erklärt, welche Orte wir durch das Fenster erkennen können und welche wir unbedingt sehen müssen.

Als uns der Schweiß in Rinnsalen vom Körper tropft, gibt es keine Ausrede mehr. Wir wickeln uns fest in unsere Handtücher ein und wagen einen Spaziergang ins Freie. Der eisige Wind, in dem wir vorhin noch (eingepackt in unsere dicken Jacken) gefroren haben, kühlt angenehm. Wir stehen am Rand des Badestegs und blicken verstohlen ins Wasser, es riecht nach Sommer am Meer. Die Schwedinnen lächeln uns herausfordernd an. Wir schauen uns ein letzten Mal an… Dann tauchen wir ein in die kalten Wellen und für einen kurzen Moment bleibt die Welt stehen. Einmal ein- und wieder ausatmen. Die Frauen lachen, als wir prustend aus dem Wasser steigen – länger hält es auch keine von ihnen aus.

Wir fühlen uns berauscht, hellwach und lebendig. Da es in schwedischen Saunen keine Ruheräume gibt, legen wir uns noch für einige Minuten in die Sonne und atmen die scharfe, eisige Luft ein, bevor wir von vorn beginnen.
So begann für uns am 25. Februar die Badesaison. Und meine Weltkarte der Lieblingsplätze ist um einen Eintrag reicher.

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